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2.txt | wünschen

Vorwort: Dies ist der zwei­te Teil eines grö­ße­ren Projekts. Ich möch­te im Rah­men von *.txt an die­sem Anfang immer wei­ter schrei­ben. Eine Idee habe ich im Kopf, aber wohin *.txt mich beglei­ten wird, das weiß ich nicht. Ich bin gespannt. 

Wenn doch nur alles ein klei­nes biss­chen ein­fa­cher wäre!
Stattdessen star­re ich aus dem Fenster in die nicht umsonst Schäl Sick genann­ten Straßenzüge Kölns, weil der Hauptbahnhof sei­nem Ruf als Nadelöhr mal wie­der alle Ehre erweist. Links Schienen, rechts Schienen, im Zug Galgenhumor, weil man uns dem Anschein nach ver­ges­sen hat. Was sind schon zwan­zig Minuten unfrei­wil­li­ger Pause vor Köln-Mülheim, wenn es kei­ne Durchsagen gibt? Für einen Moment fan­ta­sie­re ich, der Lokführer wis­se bescheid und lau­fe gera­de zum nächs­ten Bäcker, um sich sein zwei­tes Frühstück zu orga­ni­sie­ren, aber das ist natür­lich Blödsinn. Wenn über­haupt, dann macht er gera­de sei­ne recht­lich vor­ge­schrie­be­ne Pause.

Als ich die­se, mei­ne Reise plan­te, war alles so klar. Ich hat­te ein Problem, ich such­te eine Lösung, und der Abstand vom Alltag , die Ungestörtheit soll­te mir den Raum zum Denken geben, von dem ich dach­te, ich wür­de ihn brau­chen, um Antworten auf mei­ne Fragen zu fin­den. Wenn da nur nicht der heu­ti­ge Abschied dazwi­schen gekom­men wäre!

„Entschuldigung, stört es Sie, wenn ich rau­che?“
Bitte, was? Das gan­ze Abteil ist leer und die­ser Typ setz­te sich aus­ge­rech­net neben mich.
„Hier is’ Rauchverbot.“
„Was Sie nicht sagen!“ Ich höre ech­tes Erstaunen. „Wissen Sie, ich fah­re nicht so oft Zug. Das ist mir neu. Wo ist denn der Raucherwagen?“
Ich habe kei­ne Lust, mir die Lebensgeschichte die­ses Herrn älte­ren Semesters anzu­hö­ren, soll­te wohl froh sein, wenn er zu jung für Erinnerungen an den Krieg ist. Obwohl: Brächte es mir irgend­et­was, wenn er statt­des­sen vom Wirtschaftswunder schwärm­te? „Gibt kei­nen.“
„Nicht?“
„Nein, aber Sie kön­nen zum Rauchen auf Klo gehen. Is zwar auch ver­bo­ten, macht aber trotz­dem jeder.“ Und danach gibt es dann eine den Zug erhei­tern­de Durchsage. Warum läuft eigent­lich ein oran­ge geklei­de­ter Mensch am Zug ent­lang?
Der alte Mann schnauft – oder soll­te es ein Seufzer sein?
„Danke, aber so schlimm isset auch nich. Ich muss ja nur bis zum Hauptbahnhof.“
Was gäbe ich nur dafür, dass wir end­lich dort ankom­men. Ich wür­de mei­ne Schwiegermutter ver­kau­fen, wenn ich eine hät­te, zur Not auch ver­schen­ken. Aber ich habe ja nicht ein­mal eine. Wie soll ich sie dann verkaufen?

„Meine Damen und Herren, hier spricht ihr Zugchef.“ Oha! Gleich geht es rund. „Wie Sie bemerkt haben dürf­ten, hat sich unser Zug seit eini­gen Minuten nicht bewegt. Das klei­ne oran­ge Männchen, das Sie gera­de viel­leicht drau­ßen her­um­hüp­fen gese­hen haben, ist unser Lokführer, der her­aus­zu­fin­den ver­sucht, war­um wir nicht wei­ter­fah­ren kön­nen. Solange er drau­ßen ist, blei­ben wir hier ste­hen und war­ten auf ihn. Sobald ich mehr weiß, wer­de ich es Sie wis­sen las­sen. Vielen Dank.“
Drei … zwei … eins … jetzt müss­te das Chaos begin­nen. Menschen, die ohne­hin nur alle Jubeljahre mit der Bahn fah­ren, wür­den sich in ihrem Hass bestä­tigt füh­len, Pendler wür­den seuf­zen und sich ihrem Schicksal erge­ben, alles wür­de sei­nen gewohn­ten Gang gehen, doch irgend­et­was was anders und das mach­te mir Angst.

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1.txt | Gratwanderung

Vorwort: Dies ist der ers­te Teil eines grö­ße­ren Projekts. Ich möch­te im Rah­men von *.txt an die­sem Anfang immer wei­ter schrei­ben. Eine Idee habe ich im Kopf, aber wohin *.txt mich beglei­ten wird, das weiß ich nicht. Ich bin gespannt. 

„… und schau mich nicht so an!“, schreist du mir noch nach und es ist das Letzte, was ich von dir höre, von dir jemals gehört haben wer­de, und mir ist es klar just in dem Moment, da du es aus­ge­spro­chen hast, aus­ge­würgt, her­aus­ge­brüllt.
Da ist kein Schmerz, den ich emp­fin­de; du stehst auf der einen und ich auf der ande­ren Seite der Tür, und wäh­rend du dich fort­zu­be­we­gen scheinst, stehst du doch starr, nur Tränen rin­nen über dei­ne Wangen, bin ich es, des­sen Weg fort führt von dir, bin ich es, der im Zug steht, an der Tür, die uns soeben für immer trenn­te, unfä­hig mich zu rüh­ren und in mir ist alles taub, nein, dröhnt vor Stille nur. Ich will so vie­les sein, vor allem jetzt nicht hier, und bin es doch. Der Bahnhof wischt durch mei­nen Blick, die Bänke, Tafeln und Plakate, und mir ist es so, als wein­te ich auch, doch wenn ich mein Gesicht berühr­te, dann wäre da wohl nichts, denn wei­nen kann ich nicht. Erst als die Stadt vor mei­nen Augen ver­schwimmt kann ich mei­ne Füße vom Grund rei­ßen und schlur­fe durch den Gang, bis ans Ende des Zuges, bis ans Ende der Stadt.
Vier Plätze sind es, auf denen ich mich nie­der­las­se, zwei grün gepols­ter­te Bänke, wohl die letz­ten ihrer Art, sich gegen­über ste­hend; ich sit­ze links, am Fenster, mein gro­ßer, schwar­zer Rucksack sitzt neben mir. Ihm gegen­über liegt mein Mantel, aus­ge­brei­tet, und dane­ben lie­gen mei­ne Füße. – Ja, die Schuhe habe ich aus­ge­zo­gen, denn die gehö­ren, das fin­de ich, nicht auf den Sitz.
Ob du noch immer auf dem Bahnsteig stehst und mir hin­ter­her schaust, wie du es frü­her immer getan hast? Oder hast du es genau­so wenig aus­ge­hal­ten und bist, kaum dass ich weg war, vom Gleis geflo­hen? Hast du dir die Tränen abge­putzt oder waren sie dir egal? Geh mir end­lich aus dem Sinn!

„Ey, gehts noch?!“
Die Scheibe klirrt und mei­ne Hand schmerzt. Der Zusammenhang ist zu offen­sicht­lich. So nach­hal­tig die pochen­de Hitze in mei­ner Hand sich erwei­sen soll­te, so effek­tiv war sie im Rückblick aber auch: Aus mei­nen Gedanken warst du vor­erst ver­schwun­den. Ich hat­te das gan­ze Wochenende für dich vor mir. Ob ich woll­te oder nicht.

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