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Mittwoch, 12. Juni 2024 – Zwei Wahrheiten und keine Lüge

Als Nachteule, die ich bin, war ich wie so oft nach Mitternacht noch wach, und das war gut. Eigentlich woll­te ich schon längst ins Bett ver­schwun­den sein, aber das Internet war so span­nend. Erst war da eine Dokumentation über die nach­träg­li­che Colorisierung von „I Love Lucy“, doch der Algorithmus hielt es – nach Tagen vol­ler re:publica-Videos – für eine schlaue Idee, mir ein Video von Marina Weisband vor­zu­schla­gen: „Warum wäh­len so vie­le jun­ge Leute AfD?“

Irgendwann griff Marina in dem Video die Frage auf, ob es nicht ein Fehler gewe­sen sei, das Wahlalter bei der Europawahl auf 16 Jahre zu sen­ken, und nach einer in mei­nen Augen sehr plas­ti­schen und plau­si­blen Herleitung fiel fol­gen­der Satz: „Ich fin­de, das Wahlrecht soll­te eher noch frü­her kom­men, weil die Schüler*Innen, mit denen ich arbei­te, die sind wahn­sin­nig poli­tisch inter­es­siert, und die haben ver­schie­de­ne Sorgen und Nöte und Visionen und Ziele, die sie auch ler­nen zu for­mu­lie­ren – aber erst, wenn das was bedeu­tet, also wenn wenn es irgend­ei­ne Konsequenz gibt.“ 

Nichts könn­te bes­ser beschrei­ben, wie ich poli­tisch sozia­li­siert wur­de. Es fing an in der vier­ten Klasse als einer der Vertreter mei­ner Schule für das Kinder- und Jugendparlament, und die­ses Gremium war für vie­le Jahre mei­ne poli­ti­sche Heimat, weil ich sehen konn­te, dass ich ernst­ge­nom­men wur­de, auch mit mei­nen klei­nen Themen und Probleme. Ich hat­te die Gelegenheit, den Kinder- und Jugendrat NRW mit ins Leben zu rufen als Vernetzungsgremium für loka­le Interessensvertretungen wie das KiJuPa auf Landesebene. Letztlich war das dann auch der Weg für mich in eine Partei, weil ich eben dort mit mei­ne Lebenswirklichkeit mit­ge­stal­ten kann.

Freilich gibt es auch vie­le ande­re Möglichkeiten, mit denen ich das Leben mei­ner Mitmenschen ver­än­dern, ver­bes­sern kann, und die eine schließt die ande­ren nicht aus, aber ent­schei­dend ist für mich der grund­sätz­lich Aspekt, ohne den es nicht geht: Engagement, Aktivismus, das Einsetzen der eige­nen Ressourcen ist alles nichts, wenn ich nicht sehe, dass ich damit wirk­sam bin. Wenn ich nicht dar­an glau­be, dass ich etwas ver­än­dern kann, war­um soll­te ich es tun? Und ja, am Ende kann ich viel ver­än­dern, auch wenn es oft ein quä­lend lang­sa­mer Prozess ist, oft auch gegen gro­ße Widerstände. Aber auch für die­se Erfahrung bin ich dank­bar: dass jede Veränderung ein Aushandeln von Bedürfnissen ist, und dafür braucht es einen lan­gen Atem und Verbündete, und die kom­men sel­ten von allein.

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