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9.txt | nackt

Vorwort: Dies ist der neun­te Teil eines grö­ße­ren Projekts. Ich möch­te im Rah­men von *.txt an die­sem Anfang immer wei­ter schrei­ben. Eine Idee habe ich im Kopf, aber wohin *.txt mich beglei­ten wird, das weiß ich nicht. Ich bin gespannt. 

Die grü­nen Hänge und wild blü­hen­den auf­ge­ge­be­nen Weinberge sind mir gera­de welt­kul­tur­scheiß­egal. So sehr ich sonst die­ses Burgenblickparadies lie­be, so plötz­lich schlägt es mir jetzt aufs Gemüt.
Was habe ich denn jetzt noch? Was bleibt mir im Exil außer einem ver­gan­ge­nen Leben, aus dem ich nicht erzäh­len kann? Wer bin ich denn noch, wenn ich alles abstrei­fe, was ich nicht mit­neh­men kann in das Jetzt und Bald? Ich bin ein unbe­schrie­be­nes Blatt, fan­ge neu von vor­ne an, wie schon beim letz­ten Mal.
Ich bin nackt für alles, was da kommt. Meine Haut ist mei­ne Rüstung, mein Sixpack mein Schild, mein Lächeln mei­ne Eintrittskarte in alle geschlos­se­nen Gesellschaften. Warum soll­te es die­ses Mal nicht funk­tio­nie­ren, bis ich mich in ein neu­es Leben klei­den kann?

Kommentarlos setzt sich jemand auf den Platz neben mir; ich kann gera­de noch mei­nen Rucksack in Sicherheit brin­gen. „’s is hier kein Gepäckwagen.“, raunzt er mich an. So viel zu mei­nem Plan. Ich brau­che einen neu­en. Bis ich den gefun­den habe, wer­de ich ein­fach hier sit­zen blei­ben und aus dem Fenster starren.

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8.txt | Acht

Vorwort: Dies ist der ach­te Teil eines grö­ße­ren Projekts. Ich möch­te im Rah­men von *.txt an die­sem Anfang immer wei­ter schrei­ben. Eine Idee habe ich im Kopf, aber wohin *.txt mich beglei­ten wird, das weiß ich nicht. Ich bin gespannt. 

Es gibt nur noch eine Richtung, in die ich mich wen­den kann; plötz­lich, urplötz­lich wird es mir klar. Ich kann nicht mehr zurück, nie mehr. Selbst wenn ich es woll­te: Lautlos wur­de die­ser Bann aus­ge­spro­chen, der mich unver­mit­telt zum Exilanten macht, denn das, was mei­ne Heimat war, ist nun nicht mehr. Bald schon wird man eins und eins zusam­men­zäh­len und die ver­brann­te Erde sehen, die ich hin­ter­ließ, und so bleibt nur die Flucht nach vorn, ins Mittelrheintal und viel­leicht noch wei­ter, wo kei­ne Burg dar­auf war­tet mich zum Junker Jörg zu machen, der doch nichts zu ver­kün­den hät­te. Wer will schon mei­ne Geschichte hören, da jeder poli­zei­li­che Bericht mehr von Würde ver­stän­de als ich?
Fortan bin ich ein Nicht, auf ewig ver­dammt zur Verborgen- und Verschwiegenheit.

Du hast es nicht bes­ser ver­dient. Warum soll­te aus­ge­rech­net ich es sein, der von dir kün­det, da ande­re den Lobgesang viel bes­ser beherr­schen? Warum soll­te ich dir jetzt auf ein­mal die­sen Trumpf gön­nen, da wir doch sonst stets gespielt haben bis einer heult? Meine Schritte muss ich nun pla­nen, tar­nen, ver­schlei­ern, stets schau­en, ob dort jemand ist.
Ist es nicht absurd? Kaum habe ich mei­nen Freund ver­lo­ren und alles, was ich liebt’, bin ich schon in ande­rer guter Begleitung; Paranoia ist mein neu­er bes­ter Freund. Kannst du es glau­ben, dass aus­ge­rech­net ich, Mister „So schnell las­se ich kei­nen an mich ran“, so schnell wie­der fest ver­ban­delt bin? Ich kann es selbst nicht fas­sen, suche noch den Haken.

Damals, der­einst, wie könn­test du es ver­ges­sen, war alles anders. Wir waren in die Oberstufe gekom­men und du warst neu; neu in der Stufe, neu auf der Schule, neu in der Stadt, neu in dem Land, wenn auch nur ein biss­chen. Wäre unse­re Geschichte ein schlech­ter Roman, hät­te es dich zu uns ver­schla­gen, weil dein Vater aus dra­ma­tur­gi­schen Gründen kurz zuvor gestor­ben wäre, aber fak­tisch hat­ten er und dei­ne Mutter sich nur aus­ein­an­der­ge­lebt, dort neben­an, in den Niederlanden, und aus Sehnsucht nach ihrer Heimat war dei­ne Mutter nach Wuppertal zurück­ge­kehrt, wo alles auf den ers­ten Blick unver­än­dert sie emp­fan­gen hat­te, wäh­rend du in die­sem trotz eini­ger Besuche bei den Eltern dei­ner Mutter für dich so frem­den Land an einer frem­den Schule auf einem frem­den Schulhof nur kurz vor acht stan­dest, als ich dich ziem­lich unsanft anrem­pel­te.
Du sag­test nichts, ich hät­te dich fast nicht ein­mal bemerkt, wenn nicht Maike dich ange­spro­chen und dadurch inof­fi­zi­ell zu einem Mitglied unse­rer Clique gemacht hät­te.
„Lässt du dich immer kom­men­tar­los über den Haufen ren­nen?“ –
„Nein, nur wenn ich neue Freunde suche.“

Mit nur einem Satz hat­test du das Eis gebro­chen und uns alle um dei­nen klei­nen Finger gewi­ckelt, und wer dich nicht hören konn­te, der geriet schon aus der Ferne dei­ner Ausstrahlung in die Klauen. Du warst attrak­tiv, ver­dammt attrak­tiv. Ich war mit dei­ner Musterung noch nicht fer­tig, da war mir schon klar, dass ich mei­nen Platz als Mädchenschwarm der Schule räu­men muss­te. Und dei­ne Stimme erst … es lief mir den Rücken hin­un­ter. Ich hass­te dich von dem Moment an, da ich dei­ner gewahr wur­de, und ich hass­te dich mehr mit jeder Minute, da dei­ne Aura mich in der Gunst der Masse erhob.

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5.txt | gleich

Vorwort: Dies ist der fünf­te Teil eines grö­ße­ren Projekts. Ich möch­te im Rah­men von *.txt an die­sem Anfang immer wei­ter schrei­ben. Eine Idee habe ich im Kopf, aber wohin *.txt mich beglei­ten wird, das weiß ich nicht. Ich bin gespannt. 

Nur ein paar Minütchen noch, dann ist es soweit: Deutschlands schöns­te Bahnstrecken, live, und ich bin vor Ort, mit­ten­drin statt nur dabei.
Ja, du wärst auch jetzt ger­ne hier, und wenn du wüss­test, dass ich hier bin, ohne dich, und dass ich die­se Fahrt geplant habe ohne dich, wäh­rend du neben mir auf dem Sofa schliefst, dann wür­dest du mich aus dei­nen hasel­nussi­gen Augen anschau­en mit die­sem so sprich­wört­li­chen Hundeblick, dass ich dir spon­tan doch eine Fahrtkarte gekauft hät­te, egal zu wel­chem Kurs. Du hät­test mich rui­niert. Du hast mich rui­niert.
Da – der Drachenfels. Was konn­test du mir alles von ihm erzäh­len, obgleich du nie dort gewe­sen bist. 

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4.txt | Bild

Vorwort: Dies ist der vier­te Teil eines grö­ße­ren Projekts. Ich möch­te im Rah­men von *.txt an die­sem Anfang immer wei­ter schrei­ben. Eine Idee habe ich im Kopf, aber wohin *.txt mich beglei­ten wird, das weiß ich nicht. Ich bin gespannt. 

Weißt du eigent­lich, dass ich dich geliebt habe? Nein, wie soll­test du es auch wis­sen, denn ich habe es dir nie gezeigt, dir und nie­man­dem. Während du dach­test, ich lieb­te dich, wäh­rend dei­ne Mutter dach­te, ich wäre so ein net­ter jun­ger Mann, wäh­rend unser gesam­ter gemein­sa­mer Freundkreis dach­te, wir wären das Traumpaar des Jahrhunderts, weil wir schon seit der Oberstufe zusam­men waren, habe ich dich eigent­lich nur gehasst. Ein ein­zi­ges gro­ßes Schauspiel, und nicht ein­mal jetzt kannst du hin­ter die Bühne tre­ten und das gan­ze Theater ent­tar­nen als das, was es ist.
Obwohl: Wer weiß schon, wo du jetzt bist? Wenn es doch ein Leben nach dem Tod gibt, bist du jetzt dort und kannst dir end­lich alle Akte unse­res Dramas anschau­en? Oder bleibt dir auch die­ses Mal der Zugang durch die Kulisse verborgen? …

Warum liegt mir eigent­lich so viel dar­an, dich doch nicht so unwis­send zu wis­sen wie du warst, und so über­rascht? Und wo bleibt end­lich die­ser blö­de Zug? … Wie stets in mei­nem Leben kommt er natür­lich erst, wenn ich mich über sei­ne Verspätung auf­re­gen, und wie stets ist es auch nur eine Illusion, der ich mich hin­ge­be, weil sie so schön ist. Schier end­los dau­ern die Sekunden, die der Zug noch braucht, bis er zum Halten kommt und er sich auf den bis dato lee­ren Bahnsteig über­gibt und mich zum Spielball der Gezeiten macht.
Deine brau­nen Augen. Sie star­ren mich an, mein Anker in die­sem Getöse. Ich will zurück­wei­chen und ste­he doch still. Erst als der letz­te Fahrgast aus dem Zug her­aus­tröp­felt, fal­le ich nach vorn, in den Zug hin­ein.
Deine brau­nen Augen. So aus­drucks­los habe ich sie noch nie gese­hen, nicht ein­mal als du da lagst und dar­auf war­te­test, dass ich aus mei­nem Erstaunen wie­der zu mir fand. Es war so ein­fach gewe­sen.
Ich war auf­ge­stan­den und hat­te die Taschentücher acht­los fal­len gelas­sen, hat­te mei­ne Boxershorts über­ge­streift und dann nichts. Schon da hat­test du mich aus die­sen, dei­nen so hasel­nussi­gen Augen ange­starrt und gefragt: Warum? und auch jetzt blickst du mich an, wort­los, und fragst: Warum?

Statt der son­ni­gen Ausfahrt aus dem Bahnhof sehe ich nur dich, nur dein fra­gen­des Gesicht, als läge ein Farbfilter vor mei­nen Augen. Immer bist du da, jetzt mehr denn je.

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3.txt | abgrundtief

Vorwort: Dies ist der drit­te Teil eines grö­ße­ren Projekts. Ich möch­te im Rah­men von *.txt an die­sem Anfang immer wei­ter schrei­ben. Eine Idee habe ich im Kopf, aber wohin *.txt mich beglei­ten wird, das weiß ich nicht. Ich bin gespannt. 

Köln, Hohenzollernbrücke. Der Nebel, der auf­ge­zo­gen war, wäh­rend wir das erlö­sen­de Signal zur Weiterfahrt erwar­tet hat­ten, liegt so schwer über der Stadt, dass ich weder das lin­ke, noch das rech­te mit Vorhängeschlössern bela­de­ne Absperrgitter zu den Fußwegen sehen kann. Der Zug schleicht gen Hauptbahnhof, dabei wäre es ohne­hin zu spät, wenn der Lokführer erst jeman­den auf den Gleisen erblickt hät­te. Erst, als wir die neo­go­ti­sche Stahlspitzbogenkonstruktion errei­chen, wer­den die Sichtverhältnisse ein wenig bes­ser.
„Meine Damen und Herren, bit­te beach­ten Sie fol­gen­den Hinweis.“ Ich ahne, was kommt, und schaue ver­son­nen zu mei­nen Mitreisenden, wie sie zur Kenntnis neh­men müs­sen, dass der Zugverkehr wit­te­rungs­be­dingt vor­erst ein­ge­stellt wird. Es dau­ert einen Moment, ehe die Erkenntnis ein­setzt, doch die­se kur­ze, über­ra­schen­de Stille ist die Aufregung wert, die ihr nach­folgt. Ich kra­me mei­ne Kopfhörer aus der lin­ken Jackentasche und stop­fe sie mir in die Ohren. Knick, der Klinkenstecker ras­tet in mein Smartphone ein. Was will ich hören? Regina Spektor? Nein. Kraftklub? Nein. Dick Brave And The– Nein. Ich scrol­le durch die gespei­cher­ten Alben, über­flie­ge Titel um Titel, Jean-Philippe Rameau, Dardanus, ein­ge­spielt von den Musiciens du Louvre unter Marc Minkowski, das soll es sein: Feuer und Form, Rhythmus und erha­be­ne Gelassenheit. damit im Ohr kann ich mich den auf­fla­ckern­den Erinnerungen an den gest­ri­gen Abend stellen.

Dein so erstaun­ter letz­ter Blick brennt wie Saurons Auge in mei­nem Kopf. Du schienst so über­rascht, nach all den Wochen zuvor, und das muss­test du auch sein, denn ein Zeichen, dass es so mit dir enden wür­de, hat­te ich dir nie gege­ben, im Gegenteil: Ich muss­te es für dich urplötz­lich erschei­nen las­sen, gleich­wohl es von Anfang an mein Plan gewe­sen war, denn eigent­lich hät­te ich kei­ne Chance bei dir gehabt.
Wenn ich jetzt nur dar­an den­ke, wird mir schlecht. Mit Entsetzen spü­re ich, wie mei­ne Latte im Hosenbein pocht. Ich bin doch ein kran­kes Stück Scheiße. Mit einem Mann im Bett, was hat­te ich mir dabei nur gedacht? Wahrscheinlich nichts. Nur Gefühl war da, ganz viel gefühl. Ja, ich habe dich erwürgt, getö­tet als du kamst. Im Kommen bist du gegan­gen, du soll­test mir dank­bar sein. Es fiel mir so leicht.

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2.txt | wünschen

Vorwort: Dies ist der zwei­te Teil eines grö­ße­ren Projekts. Ich möch­te im Rah­men von *.txt an die­sem Anfang immer wei­ter schrei­ben. Eine Idee habe ich im Kopf, aber wohin *.txt mich beglei­ten wird, das weiß ich nicht. Ich bin gespannt. 

Wenn doch nur alles ein klei­nes biss­chen ein­fa­cher wäre!
Stattdessen star­re ich aus dem Fenster in die nicht umsonst Schäl Sick genann­ten Straßenzüge Kölns, weil der Hauptbahnhof sei­nem Ruf als Nadelöhr mal wie­der alle Ehre erweist. Links Schienen, rechts Schienen, im Zug Galgenhumor, weil man uns dem Anschein nach ver­ges­sen hat. Was sind schon zwan­zig Minuten unfrei­wil­li­ger Pause vor Köln-Mülheim, wenn es kei­ne Durchsagen gibt? Für einen Moment fan­ta­sie­re ich, der Lokführer wis­se bescheid und lau­fe gera­de zum nächs­ten Bäcker, um sich sein zwei­tes Frühstück zu orga­ni­sie­ren, aber das ist natür­lich Blödsinn. Wenn über­haupt, dann macht er gera­de sei­ne recht­lich vor­ge­schrie­be­ne Pause.

Als ich die­se, mei­ne Reise plan­te, war alles so klar. Ich hat­te ein Problem, ich such­te eine Lösung, und der Abstand vom Alltag , die Ungestörtheit soll­te mir den Raum zum Denken geben, von dem ich dach­te, ich wür­de ihn brau­chen, um Antworten auf mei­ne Fragen zu fin­den. Wenn da nur nicht der heu­ti­ge Abschied dazwi­schen gekom­men wäre!

„Entschuldigung, stört es Sie, wenn ich rau­che?“
Bitte, was? Das gan­ze Abteil ist leer und die­ser Typ setz­te sich aus­ge­rech­net neben mich.
„Hier is’ Rauchverbot.“
„Was Sie nicht sagen!“ Ich höre ech­tes Erstaunen. „Wissen Sie, ich fah­re nicht so oft Zug. Das ist mir neu. Wo ist denn der Raucherwagen?“
Ich habe kei­ne Lust, mir die Lebensgeschichte die­ses Herrn älte­ren Semesters anzu­hö­ren, soll­te wohl froh sein, wenn er zu jung für Erinnerungen an den Krieg ist. Obwohl: Brächte es mir irgend­et­was, wenn er statt­des­sen vom Wirtschaftswunder schwärm­te? „Gibt kei­nen.“
„Nicht?“
„Nein, aber Sie kön­nen zum Rauchen auf Klo gehen. Is zwar auch ver­bo­ten, macht aber trotz­dem jeder.“ Und danach gibt es dann eine den Zug erhei­tern­de Durchsage. Warum läuft eigent­lich ein oran­ge geklei­de­ter Mensch am Zug ent­lang?
Der alte Mann schnauft – oder soll­te es ein Seufzer sein?
„Danke, aber so schlimm isset auch nich. Ich muss ja nur bis zum Hauptbahnhof.“
Was gäbe ich nur dafür, dass wir end­lich dort ankom­men. Ich wür­de mei­ne Schwiegermutter ver­kau­fen, wenn ich eine hät­te, zur Not auch ver­schen­ken. Aber ich habe ja nicht ein­mal eine. Wie soll ich sie dann verkaufen?

„Meine Damen und Herren, hier spricht ihr Zugchef.“ Oha! Gleich geht es rund. „Wie Sie bemerkt haben dürf­ten, hat sich unser Zug seit eini­gen Minuten nicht bewegt. Das klei­ne oran­ge Männchen, das Sie gera­de viel­leicht drau­ßen her­um­hüp­fen gese­hen haben, ist unser Lokführer, der her­aus­zu­fin­den ver­sucht, war­um wir nicht wei­ter­fah­ren kön­nen. Solange er drau­ßen ist, blei­ben wir hier ste­hen und war­ten auf ihn. Sobald ich mehr weiß, wer­de ich es Sie wis­sen las­sen. Vielen Dank.“
Drei … zwei … eins … jetzt müss­te das Chaos begin­nen. Menschen, die ohne­hin nur alle Jubeljahre mit der Bahn fah­ren, wür­den sich in ihrem Hass bestä­tigt füh­len, Pendler wür­den seuf­zen und sich ihrem Schicksal erge­ben, alles wür­de sei­nen gewohn­ten Gang gehen, doch irgend­et­was was anders und das mach­te mir Angst.

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1.txt | Gratwanderung

Vorwort: Dies ist der ers­te Teil eines grö­ße­ren Projekts. Ich möch­te im Rah­men von *.txt an die­sem Anfang immer wei­ter schrei­ben. Eine Idee habe ich im Kopf, aber wohin *.txt mich beglei­ten wird, das weiß ich nicht. Ich bin gespannt. 

„… und schau mich nicht so an!“, schreist du mir noch nach und es ist das Letzte, was ich von dir höre, von dir jemals gehört haben wer­de, und mir ist es klar just in dem Moment, da du es aus­ge­spro­chen hast, aus­ge­würgt, her­aus­ge­brüllt.
Da ist kein Schmerz, den ich emp­fin­de; du stehst auf der einen und ich auf der ande­ren Seite der Tür, und wäh­rend du dich fort­zu­be­we­gen scheinst, stehst du doch starr, nur Tränen rin­nen über dei­ne Wangen, bin ich es, des­sen Weg fort führt von dir, bin ich es, der im Zug steht, an der Tür, die uns soeben für immer trenn­te, unfä­hig mich zu rüh­ren und in mir ist alles taub, nein, dröhnt vor Stille nur. Ich will so vie­les sein, vor allem jetzt nicht hier, und bin es doch. Der Bahnhof wischt durch mei­nen Blick, die Bänke, Tafeln und Plakate, und mir ist es so, als wein­te ich auch, doch wenn ich mein Gesicht berühr­te, dann wäre da wohl nichts, denn wei­nen kann ich nicht. Erst als die Stadt vor mei­nen Augen ver­schwimmt kann ich mei­ne Füße vom Grund rei­ßen und schlur­fe durch den Gang, bis ans Ende des Zuges, bis ans Ende der Stadt.
Vier Plätze sind es, auf denen ich mich nie­der­las­se, zwei grün gepols­ter­te Bänke, wohl die letz­ten ihrer Art, sich gegen­über ste­hend; ich sit­ze links, am Fenster, mein gro­ßer, schwar­zer Rucksack sitzt neben mir. Ihm gegen­über liegt mein Mantel, aus­ge­brei­tet, und dane­ben lie­gen mei­ne Füße. – Ja, die Schuhe habe ich aus­ge­zo­gen, denn die gehö­ren, das fin­de ich, nicht auf den Sitz.
Ob du noch immer auf dem Bahnsteig stehst und mir hin­ter­her schaust, wie du es frü­her immer getan hast? Oder hast du es genau­so wenig aus­ge­hal­ten und bist, kaum dass ich weg war, vom Gleis geflo­hen? Hast du dir die Tränen abge­putzt oder waren sie dir egal? Geh mir end­lich aus dem Sinn!

„Ey, gehts noch?!“
Die Scheibe klirrt und mei­ne Hand schmerzt. Der Zusammenhang ist zu offen­sicht­lich. So nach­hal­tig die pochen­de Hitze in mei­ner Hand sich erwei­sen soll­te, so effek­tiv war sie im Rückblick aber auch: Aus mei­nen Gedanken warst du vor­erst ver­schwun­den. Ich hat­te das gan­ze Wochenende für dich vor mir. Ob ich woll­te oder nicht.

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