Wer hätte gedacht, dass die letzten Tage so abwechslungsreich würde? Ich jedenfalls nicht.
Mein Kalender sah nur ein Abendessen mit Freunden und eine Chorprobe vor. Mein Leben hatte andere Pläne mit mir.
Ja, das Abendessen mit Freunden fand statt. Damit war der Donnerstag schon mal gelungen.
Aus der Chorprobe am Freitag wurde aber eine Chorprobe mit Nachgespräch, denn da sind Konzerte in der Planung, und sowas lässt sich nicht in fünf Minuten besprechen. Da die Bahn dann noch eher fuhr als in der App angezeigt, war ich am Ende dann anderthalb Stunden später im Bett als geplant, und somit genau genommen erst am Samstag.
Am Samstag hatte ich dann eigentlich nichts vor außer auszuschlafen. Das klappte dann auch noch. Zum Abend wurde ich aber von C. mit einem kleinen Einkauf beauftragt. Der endete in einem zweistündigen Ausflug in die benachbarte Großstadt, da von dort die Busse nur noch sporadisch zurück fuhren. Statt des geplanten Abendessens (man wünschte sich Saté-Hähnchen eines chinesischen Restaurants) musste mangels Personals eine Alternative her.
So weit, so gut … wäre ich nicht im Bus nach Hause mit zwei Gesellen in Kluft (einer in blau, einer in schwarz) ins Gespräch gekommen. Sie standen dort im Mehrzweckbereich und versuchten aus dem halb dunklen Display mit den künftigen Haltestellen schlau zu werden. Die dort genannten Orte waren auf ihrer Deutschlandkarte im Maßstab eins zu Wirklich-was-erkennen-kann-man-nicht einfach nicht zu finden. Das Gefühl verloren zu sein, stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
Das reichte für viele im Bus, um bei beiden mehr oder minder unauffällig zu beobachten. Als alter Couchsurfer, der in seiner Couchsurfing-Zeit mehr gehostet als gesurft hatte, war ich stattdessen so frei, die beiden einfach anzusprechen. Ja, sie suchten noch einen Platz zum Schlafen. Aus Kaiserslautern hatten sie erfolglos versucht herauszukommen, weswegen sie nun im Bus saßen. Eigentlich wollten sie über Otterbach ganz grob in Richtung Norden, doch der Bus, in dem ich sie traf, fuhr weder nach Otterbach, noch nach Norden. West-Nord-West hätte es eher getroffen, und wären sie an der Endhaltestelle angekommen, wären sie heute von dort kaum mehr weggekommen. Wie will man auch einen Rufbus rufen ohne Telefon? Und welche Nummer will man dann anrufen, wenn man sie sich nicht an der Haltestelle notiert hat? Wer nimmt einen schon mit in einem 1.500-Seelen-Dorf, das zwar zwei Bäckereien, aber keine brauchbare Anbindung an irgendetwas hat?
Sie hatten Schutzhütten im Sinn, doch das Beste (und Einzige), was mir einfiel, wäre ein zentral wie nichts gelegener Pavillon gewesen. Spätestens um halb sechs wären da die ersten Leute mit ihren Hunden vorbeigekommen. Ein guter Platz für einen ruhigen Schlaf war das nicht. Also tat ich das, was ich am besten kann für Leute, die ich gerade einmal zehn Minuten kenne: Ich bot ihnen ein Zelt und unseren Garten an. Auch wenn ich nicht aufgeräumt hatte, konnte ich doch guten Gewissens C. vorschieben, der einfach keine fremden Menschen über Nacht in der Wohnung haben möchte. So unterschiedlich kann man sein.
Doch das Zelt schien den beiden zu reichen. Sie wollten bloß nicht nass werden, und dafür war es gut genug.
Nachdem ich also vollendete Tatsachen geschaffen hatte, fragte ich dann auch mal die Nachbarschaft im Haus, ob das überhaupt okay wäre. Es war. Ich brachte den beiden Zelt und Isomatte und ein wenig Licht und wünschte ihnen eine gute Nacht. Würden wir uns am nächsten Morgen noch sehen: gut. Wenn nicht, könnten sie einfach alles stehen und das Zelt trocknen lassen.
So ging ich also hoch. Es gab den alternativen Essensplan, und während des Essen vor sich hin simmerte, kramte ich ein paar touristische Karten der Region aus meinem Fundus und zeichnete eine paar in OpenStreetMap notierte Schutzhütten ein. Wer weiß, wofür es gut ist.
Am nächsten Morgen mussten wir früh raus. Ich hing ihnen die Karten und eine kleine Notiz (mit einem Tipp für die weitere Routenplanung) und einen kleinen Schein ans Gartentor und wir verschwanden auf den Hundeplatz. Als wir zurückkamen, waren die beiden im Begriff zu gehen, und so konnte ich mich von den beiden noch einmal verabschieden. Ich wüsste ja gern, ob sie schon ihr Ziel erreicht haben.
PS: Am Nachmittag ging es noch zu meiner Schwester, denn ich hatte noch ein Geburtstagsgeschenk für sie. Dazu gab es Kuchen und eine Roséwein, den ich als jemand, der kaum Roséwein trinkt, ihr unbedingt vorstellen wollte. Und so zeigt sich wieder einmal, dass in Gesprächen oft die besten Ideen entstehen.