Vorwort: Dies ist der siebzehnte und letzte Teil eines größeren Projekts. Ich habe im Rahmen von *.txt an diesem Werk immer weiter geschrieben. Eine Idee hatte ich im Kopf, aber wohin *.txt mich führte, wusste ich nicht. Jetzt aber ist mir alles klar.
Vertraute Häuser, vertraute Straßen; hier kenne ich mich aus. Es riecht bekannt, nach Frittenfett. Autos stehen in der zweiten Reihe abgestellt, während im Imbiss ihre Fahrer darauf warten, dass ihre vorbestellten Gerichte über den Tresen gereicht werden; geduldeter Egoismus im Mantel der Wirtschaftsförderung. Die Luft, sie ist verbraucht, verstaubt, plötzlich so grau wie es vorher nie aufgefallen war.
Nicht mehr weit muss ich gehen, nicht mehr weit ist es, bis ich wieder auf mein altes Leben stoße, bis diese Flucht ihr Ende findet, egal was auch danach dann folgt. Ein bisschen Regen täte der Stadt gut, ein Nieseln würde mir schon reichen, um sie von all der drückenden Enge und dem Mief des Allüblichen reinzuwaschen, selbst wenn es nur für eine halbe Stunde wäre. Nur einmal möchte ich hier den Frieden der Wingerte erleben, denke ich, und weiß doch, dass es so nicht geht.
In der Hosentasche, in der ich krame, klimpert dein Schlüsselbund, mein Öffner für Pandoras Büchse, dem ich erst seinen Sinn ergab. Ich spüre seinen Linien nach, du lachst mich an wie du es erst an deinem Geburtstag tatest, eh dein Blick erstirbt, ich schüttle meinen Kopf und dieses Bild erlischt.
Was die Ampel grün? Ich weiß es nicht und laufe weiter, unbeirrt vom wütenden Gehupe, fast wäre ich vorm Ziel verreckt; ein kosmischer Fall von Durchfall vor der Kloschüssel wäre das gewesen, doch diesmal überlebe ich. Mein Herz schlägt schneller, mein Blut rauscht wummernd durch die Ohren, meine Füße werden leicht, ich spüre meine Hände kaum … wie Koffeinrausch ist es, wie vor unserm ersten echten Date. Ich fürchte mich vor dem, was kommt, doch kenn’ ich dich so gut, so lang. Eigentlich ist das, was nun noch kommt, nur Formsache, denn eigentlich ist es doch offensichtlich, was geschah. Weil man es so macht, machen wir es auch, weil man es so macht, kehre ich an diesen Ort zurück. Nur richtig Abschied nehmen will ich noch, nachholen, was mir gestern noch nicht möglich war.
Die Tür geht auf durch meine Hand, ganz automatisch schau’ ich nach der Post, doch nicht für dich ist dieser Brief. Die Klinik schreibt, sie würde mich gern haben; mein Traumjob, ich habe ihn erreicht. Fast unbemerkt steh’ ich vor uns’rer Tür, doch als der Briefumschlag zu Boden flappt, erkenne ich, vor welcher Schwelle ich nun stehe. Der Schlüssel fällt mir aus der Hand.
Das Schreiben folgt ihm unauffällig nach.
Und nur wie aus einer fernen Galaxie klingt das metallene Klirren und papierne Platschen an mein Ohr.
„Guten Morgen, Herr Schuster.“, knurrt die Hausmeisterin, ich erkenne sie an ihrem breit gerollten R, und grüße zurück ohne mich umzudrehen. Sie wird wohl zum Kiosk gehen, Brötchen kaufen und ’ne Zeitung, wie jeden Morgen, auch am Wochenende. Kaum fällt die Haustür zu, verlässt mich meine Starre und ich hebe den Schlüssel wieder auf. Das Schloss treffe ich auf Anhieb, sodass ich kalt klackend den Schlüssel drehen kann.
Es ist nicht abgeschlossen.
Ich überwinde den letzten Widerstand und stoße die Tür auf, die sich ausnahmsweise nicht dem dramatischen Knarren hingibt, mit welchem sie uns sonst begrüßte.
Da stehst du, im Flur, nackt wie ich dich liebe. Noch immer hast du deine Spermareste im Haar und dein Hals schillert dunkelrotfastblau, ich sehe meine Daumen dich ersticken.
Was stehst du da? Wieso?
Wie, was, du bist doch tot! Du kannst doch gar nicht stehen! Du bist tot, tot, tot, doch tot, und ich verrückt! Du starrst mich an, was schaust du mich so an, und blickst durch mich hindurch.
Türrahmen, wo ist der verfickte Türrahmen, an den ich mich jetzt stützen kann? Du starrst nur weiter, Gespenst meiner Schuld, eh ich ihn zu fassen kriege. Watte, alles fühlt sich an wie Watte, Watte in den Ohren, auch der Druck ist da, für einen ewigen Moment, für einen ewigen Moment ist alles still.
Dann blinzelst du und sprichst.
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